Der Blick auf dich selbst

Warum Du?

Wozu willst du Schulleiter sein? – Diese Frage erfordert Antworten aus deiner eigenen Lebensagenda heraus. Wenn du diese Frage nur in Bezug auf das Amt, auf die Verwaltungseinheit beantwortest, wird die Agenda deines beruflichen Lebens auch nur eine Arbeitsplatzbeschreibung sein. Willst du das? Was willst du?

Wünsche

Warum also ausgerechnet du? – Weil du dir selbst Wünsche erfüllen willst.

Du willst auf eine bestimmte Art leben und sein. Diese inneren Wünsche in uns sind nicht leicht explizit zu machen. Modelle, wie sie Friedemann Schulz von Thun oder vor langer Zeit Fritz Riemann aufgestellt haben, zeigen, dass unsere Wünsche zwar durch unsere Persönlichkeit bestimmt werden, wir uns aber nicht pauschal z.B. nach Ruhe oder Geselligkeit oder Bewegung oder Kontemplation sehnen, sondern je nach Situation zwischen ihnen wechseln. Riemann hat ausgehend von sogenannten Grundängsten zwei Skalen mit den jew. Polen Angst vor Nähe – Angst vor Distanz; Angst vor Veränderung – Angst vor Stillstand übereinander gelegt. In ihren Extremformen sind diese Ängste zwar ein Fall für die Psychotherapie, in ihren Grundformen sind sie aber bei jedem von uns vorhanden. Riemann war selbst Psychoanalytiker und betrachtete diese Antriebe als Ängste. Sein Modell lässt sich aber auch so verstehen, dass für uns bspw. der positive Wert „Selbstbestimmung“ ein wichtiger Antrieb sein kann, weshalb wir uns tendenziell in Distanz zu anderen wohler fühlen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht auch nach „Nähe“ sehnen – unter ganz bestimmten Bedingungen. Es ist aber klug, sich selbst darüber klar zu sein, dass die Sehnsucht nach Selbstbestimmung dominierend ist und gewissermaßen eine Bedingung für das Zusammensein mit anderen schafft. Das sogenannte Riemann-Thomann-Modell arbeitet mit diesen Werten. Du kannst dich innerhalb einer Matrix mit den Achsen „Nähe-Distanz“(x-Achse) und „Dynamik-Ordnung“ (y-Achse) verorten. Du kannst anhand von Beispielsituationen für dich feststellen, dass du ein Nähe-Wandel-Typ bist. Dann brauchst vielleicht die Möglichkeit, kreativ sein zu können, um Dinge zu planen, du würdest eher ausprobieren als detailliert voraus zu planen und vielleicht kannst du provisorische und ungenaue Situationen ganz gut aushalten. Dabei bist du aber auf Anerkennung und Unterstützung anderer angewiesen. Du würdest mit deiner Kreativität eher nicht alleine nach vorne preschen, sondern vielleicht eher bei anderen mitmachen. Und so weiter. Das Modell kann dir also helfen, dich genauer kennen zu lernen. Es macht dir aber auch bewusst, dass andere Menschen, mit denen du bspw. zusammenarbeiten musst, innerhalb dieser Matrix an einer ganz anderen Stelle stehen als du. Ein Mensch, dem Ordnung, Verwurzelung, Stabilität wichtig ist, empfindet deine Agenda dann vielleicht als Bedrohung, wenn du nur von deinen dich antreibenden Werten, rund um Dynamik, Wandel, Bewegung ausgehst. Ich werde zu dieser Matrix im Glossar etwas aus der praktischen Anwendung berichten.
Schulz von Thun hat mit seinem Wertequadrat-Modell wichtige Hinweise für die entsprechenden Kommunikationssituationen gegeben. Ihm folgend erscheint es sehr ratsam, sich nicht nur über die eigenen Werte und Wünsche deutlich im Klaren zu sein, sondern auch über den jeweiligen Gegenwert oder Gegenwunsch. Mit beinahe achtzig Jahren hat Schulz von Thun ein Buch mit dem Titel „Erfülltes Leben“ geschrieben, in dem er zeigt, dass du gewissermaßen auch in der Kommunikation mit dir selbst stets berücksichtigen solltest, inwiefern dein Wunsch und sein vermeintliches Gegenteil möglicherweise gleichzeitig und in Abwägung miteinander in dir existieren. Im Blick auf die Menschen gehe ich auf das Wertequadrat etwas genauer ein. Im Netz findest du außerdem haufenweise Erläuterungen dazu.

Sinn

Warum also ausgerechnet Du? – Die Antwort darauf kann natürlich nicht bei deinen Wünschen und deinem persönlichen Glücksgefühl stehen bleiben. Natürlich suchst du nach Sinnerfüllung. Ginge es dir nur um einen irgendwie angenehmen Lebensstil … naja … da ist weder die Schule, noch der Leitungsposten der geeignete Ort der Verwirklichung.

Für Viktor Frankl ist gerade das der Weg zum Glück:

Die Suche nach einem Leben, das für die Gesamtheit der Menschen einen Sinn ergibt.

Nachdem ich über all das gelesen habe, diese Modelle an mir selbst ausprobiert und andere Menschen beobachtet habe, kann ich jeder und jedem in der Schule nur raten, sich regelmäßig selbst zu fragen: Was ist das entscheidend Wirksame, das du selbst in dieses System für die anderen Menschen einbringst? Was ist es, was ohne dich nicht da wäre und was wirklich fehlen würde? Diese Frage würde ich mir auch stellen, wenn ich „nur“ Lehrer wäre, denn sobald du vor einer Lerngruppe stehst, bist du schon eine Führungsperson.


Was ist dein Beitrag zur Rettung der Welt?


Es lohnt sich, bei diesem Blick auf dich selbst mit sehr hohen Erwartungen an dich selbst zu arbeiten. Dabei geht es nicht um Heldentum oder darum, dich selbst zu belügen, sondern es geht um dein Glück. Und, wie gesagt, ein Mensch, der in seinem Tun keinen größeren Sinn sieht, hat es schwer, glücklich zu sein. In anderen Berufen mag das Sinnerfüllende schwerer zu entdecken sein. Aber innerhalb der Schule und schon erst recht, wenn es darum geht, eine zu leiten, bist du ja explizit für einen erheblichen gesellschaftlichen Sinn angetreten.
Der Pädagoge und Ausbilder von Führungskräften, Rolf Arnold, erzählt in einem seiner Vorträge, dass er in Seminaren mit Managern und Führungspersonen machmal diese Maßbänder verteilt, die man sich z.B. bei Ikea nehmen kann, um das Regal auszumessen. Dann fordert er die Führungskräfte auf, das 100 Zentimeter-Maßband auf 75 Zentimeter zu verkürzen. Denn 75 Jahre (so in etwa) ist die durchschnittliche Lebenserwartung. Daraufhin bittet er die Manager, vom unteren Ende her die Zahl ihres eigenen Alters abzuschneiden. Und schließlich sitzen diese Menschen, die Unternehmen vorstehen oder Abteilungen oder eben Schulen leiten da, mit einem Stück Papier, das so zwischen zwanzig und dreißig Zentimeter lang ist. Und Arnold sagt dann sinngemäß: „Und diese Zeit bleibt Ihnen, meine Damen und Herren, um ihr Lebensziel zu erreichen.“