Der Blick in die Zukunft
Auf einem modernen Computer finden sämtliche Bücher und Schriftrollen aller mittelalterlichen Bibliotheken spielend Platz, und es bleibt noch viel Platz für Ihre Urlaubsfotos.
Yuval Noah Harari

Die Komplexitäts-Kultur
Als reine Organisation betrachtet, besteht Schule aus Strukturen und dem organisierten Einsatz von zweckgebundenen und budgetierten Ressourcen, die für die Schülerinnen und Schüler Gelegenheiten zum Lernen bereitstellen. So simpel und grundsätzlich betrachtet ähnelt eine Schule viel mehr einem öffentlichen Park als einem Unternehmen. Die betriebswirtschaftliche Input-Outcome-Logik wird sowohl im Park als auch in der Schule empfindlich dadurch gestört, dass sich das Outcome, also der Ertrag, der dem Investitionsaufwand gegenübersteht, a) nicht garantieren lässt, b) kaum gemessen werden kann und c) weder den Einzelaufwendungen, noch dem Gesamtbudget ursächlich zugeordnet werden kann. Soll heißen: Wenn ich einen schönen Park anlege, biete ich den Besuchern damit Gelegenheit, sich zu erholen, die Natur zu genießen und damit – irgendwie – gesünder zu sein. Ich habe eine lange Liste an Kosten, für die ich als Parkbesitzer aufkommen muss: Für den Rasenmäher, die Gärtnerinnen, den Baumpflegedienst und neue Tulpenzwiebeln. Aber ich weiß nicht, ob es der gemähte Rasen, die Blumen oder die Bäume sind, die den Besuchern gut tun. Ich weiß nicht einmal, ob alle Besucher sich wirklich erholen. Ich kann den Park gestalten, aber ich habe keinen direkten Einfluss und keine Einsicht in die Bedarfserfüllung der Besucher. Genauso ist es in der Schule. Sie bietet Gelegenheiten zum Lernen, kann aber nicht abrechnen, inwiefern ihre „Kundinnen“ diese Gelegenheiten wirklich nutzen. Auch Kompetenztests, Vergleichsarbeiten, Studien u.ä.m. schaffen es nicht, diese Lücke zu füllen – das ist auch nicht ihre Aufgabe. Zu komplex sind die Wirkungszusammenhänge, zu vielfältig die individuellen Bedingungen, Voraussetzungen und Ansprüche.
Stell dir vor, du würdest ein Restaurant betreiben und versuchen, nicht in verkauften Essen, sondern in Sattheit abzurechnen.
Schule soll in jedem Individuum die folgenden Aspekte beeinflussen: Wissen, Können, Konzentration und Aufmerksamkeit, Ziele, Motivation, aber auch so etwas wie Werte, Normen, gesellschaftlich geteilte Bedeutungen und Interpretationen, kulturelle Routinen usw. Vieles davon geschieht unterbewusst, inexplizit und unsichtbar.
Schule zu halten, Menschen bilden zu wollen, Lehrer zu sein, ist eigentlich ein unmöglicher Job.
Diese Unmöglichkeit auszuhalten und mit und trotz all dieser Ungewissheiten als Organisation zu bestehen, haben die Schulen individuelle und spezifische Kulturen entwickelt. Jede Schule ihre eigene.
Eine Art lokale Evidenz beweist – scheinbar offensichtlich – wie die Dinge zu tun sind und was es bedeutet, die Dinge richtig getan zu haben. Eine wesentliche Einflussgröße für diese lokale Evidenz ist der Schöne Schein. So, wie Systeme es vor allem immer schaffen, sich selbst zu erhalten, indem sie – wie gesagt – ihre Informationswege auf Selbstreferenz setzen, genau so entwickeln Kulturen eine ganz bestimmte Sprache und einen Wortschatz. Kulturen entwickeln Märchen von Erfolg und Misserfolg, von Richtig und Falsch, von Heldinnen und Faulenzern. Diese Märchenwelt der Konnotationen und des Mitgemeinten nenne ich den Schönen Schein.